Lancut / Zamosc

Obwohl angeblich ab 1795 unter den Österreichern alle Bürger Galiziens gleich gestellt waren, könnte der Gegensatz zwischen den einfachen Behausungen des gewöhnlichen Volkes im Freilichtmuseum Sanok und den Schlossräumen von Lancut nicht grösser sein. Bereits bei der Machtübernahme der Österreicher gehörte Lancut zu den prächtigsten Residenzen Polens. Danach wurde es immer wieder durch die berühmtesten Architekten und Innenausstatter Europas auf den neuesten Stand gebracht. Bei der letzten Renovation von 1889 bis 1911 wurden auch eine Zentralheizung, diverse Badezimmer mit fliessendem Wasser sowie die Küche neu installiert.

Interessant ist auch die Kollektion der Griechisch-Orthodoxen Kirchenkunst. Darüber steht im Reiseführer:

Diese Kollektion wurde seit Anfang der 60er Jahre des 20. Jh. gesammelt, als es notwendig wurde die historische Ausstattung der verlassenen Griechisch-Orthodoxen Gotteshäuer auf dem Gebiet der Przemysler Eparchie zu retten. Hier werden Ikonen, Fahnen, Prozessionskreuze sowie Stoffe und lithurgische Bücher ausgestellt. Ikonen wurden üblicherweise auf haltbaren und stabilen Holzbrettern gemalt. Dazu nutzte man haltbare mineralische und organische Farben. Dies trug dazu bei, dass Gemälde über Jahrhunderte ihren Glanz bewahrt haben. Tempera wurden in Schichten aufgetragen. Man ging stufenweise von den tiefsten Partien eines Farbtons aus bis hin zu den am nächsten liegenden, die für den Betrachter am hellsten erscheinen. Das Element, das das Bild formte, war das Licht – es ging senkrecht „von innen“ und nicht von einem konkreten äusseren Punkt aus. Ein glänzender, goldener und silberner Hintergrund liess die Gestalten auf einer Grenze zwischen der himmlischen und der irdischen Dimension erscheinen.

Auf dem Weg nach Zamosc wollen wir in Lezajsk halten, um in der Kirche der Zisterzienser die schönste barocke Orgel Europas aus dem 17. Jahrhundert zu bewundern. Zuerst schlendern wir über den Friedhof, der deshalb faszinierend ist, weil die Gräber als eine Art Familiengeschichte dienen. Es gibt einige grosse Gräber, die bereits 1836 als letzte Ruhestätte dienten und danach allen Familienmitgliedern einen letzten Aufenthalt bot. Entsprechend sind die Gräber mit Kerzen und meist künstlichen Blumen übersät.

Die Kirche finden wir zwar schön, jedoch nicht wirklich überwältigend, auch nicht markant gross, fahren weiter, realisieren, dass wir „nur“ in einer ganz normalen Kirche waren, weil wir plötzlich vor einem riesigen Komplex stehen, der im Innern mehr als überwältigend ist.

Wieder ist es jedoch nicht möglich, das Beeindruckende als Bild festzuhalten. Die Menschen sind auf dem Boden kniend tief im Gebet versunken – wir stören. Die Atmosphäre ist so andächtig, dass es keiner Ruhetafel bedarf.

Zamość

Jan Zamoyski hatte in Padua studiert. Eine steile politische Karriere brachte ihm viel Macht ein. 1576 wollte er für seine Familie eine Stadt im Stil der italienischen Renaissance erbauen und verpflichtete dazu den venezianischen Baumeister Morando. Um die Reinheit des Stils zu gewährleisten, wählte er dazu ein Stück freies Land ohne jegliche Bauten. Elf Jahre später standen 217 Häuser sowie 26 leere Parzellen. Zamosc ist nur 130 km von Lemberg entfernt und lag an der wichtigen Handelsroute. Deshalb konnte man schon im 16. Jahrhundert Gewürze, Seide Pelze, Leder, Schmuck und Waffen aus Indien, Persien und der Türkei kaufen.

Bald hatte Zamosc den Namen einer reinen Renaissancestadt. Der Handel blühte, ermöglichte Kultur und Wissenschaft auf hohem Niveau. Obwohl rund um die Stadt eine Befestigungsanlage erbaut wurde, gilt diese nicht als Grund dafür, dass Zamosc nie gewaltsam eingenommen wurde. Vielmehr wollte niemand dieses Juwel an Reinheit zerstören. Obwohl sich bei der Aufteilung Polens die Russen und die Österreicher lange Zeit um Zamosc stritten, blieb die Stadt unversehrt, als sie schlussendlich russisch wurde.

Auch die deutschen Besatzer während des zweiten Weltkrieges schützten Zamosc, planten vielmehr eine reine Arierrasse in diese reine Renaissancestadt anzusiedeln, die entweder den Namen Himmlerstadt oder Pflugstadt tragen sollte. Himmler persönlich hatte den Wunsch, hier eine reine Himmlerstadt mit reinen Ariern zu besiedeln.

Trotz der Reinheit der Architektur im Stadtkern wohnten in Zamosc wie in den meisten Orten in Galizien Armenier, Spanier, Engländer, Juden, Schotten, Deutsche, Griechen, Italiener und Russen zusammen. Zanosc ist auch ein Ort, wo die Unierten (Griechisch Katholiken) einen Basilianerorden gründeten und die Niklauskirche bauten. Näheres über die Unierten findest Du im geschichtlichen Hintergrund.

Die über 100’000 Touristen, die jährlich diese UNESCO Weltkulturerbe-Stadt besuchen, flanieren meist rund um den Marktplatz und im alten Stadtkern. In den Sommermonaten veranstaltet die Stadt einige Kulturfeste, die auch für die nahen Ukrainer attraktiv sind. Während wir sonst im Süden von Polen gespürt haben, dass man sich noch keine westlichen Touristen gewohnt ist, haben wir in Zamosc keine Probleme mit Englisch. Auch gibt es westliches Frühstück.

Blandine, im Herbst 2009

Quellen:
Kurs über Galizien an der Volkshochschule in Zürich
Unterlagen der besuchten Städte
Führer von Lancut
Eigenes Erleben sowie eigene Beobachtungen

Weitere Informationen über Galizien findest Du im Archiv unter Polen – Geschichtlicher Hintergrund.

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