Der Ausflug ins Hinterland von Eshowe

Nach der spannenden Führung im Zulu-Museum in Pietermaritzburg bereitete ich den Besuch von „Shakaland“ vor. Dies ist eine Art “Ballenberg“ für die Zulu. Ein amerikanischer TV-Sender drehte eine Serie über König Shaka und baute dazu ein authentisches Dorf mit mehreren Familienanlagen (Umuzi) auf. Ein Umuzi blieb erhalten und dort leben seit einigen Jahren einige angestellte Zulu nach den alten Traditionen.

Täglich gibt es Führungen, es werden Rituale vorgestellt und Tänze vorgeführt. Für die Gäste gibt es 50 komfortabel eingerichtete Rundhütten mit Badezimmer und Wifi.

Der nächstgelegene, grössere Ort ist Eshowe. Dort suchte ich eine Bleibe, stiess auf das Khekhekhe-Fest vom 23. Februar und buchte uns ein Zimmer bei Graham, der eine Tour zu diesem Fest anbietet. Weil seine Kinderfrau eine Zulu war, fühlte er sich den Zulu verbunden und baute als Rotary Präsident mit vielen Spenden internationaler Firmen um die 3000 Schulhäuser im Hinterland von Kwa Zulu Natal.

Typisches Schulhaus im Hinterland - ein Schulweg ist bis zu 5 km lang
Typisches Schulhaus im Hinterland – ein Schulweg ist bis zu 5 km lang

Die Fahrt nach Eshowe war vor allem anstrengend, weil es einmal mehr wie aus Kübeln schüttete und Toni des öfteren von Aquaplaning überrascht wurde. In Eshowe angekommen, fuhren wir direkt zum „Museumskomplex“, der rund um eine norwegische Missionskirche und einem britischen Fort entstanden ist. Für mich sehr überraschend wird dort mehr vom norwegischen Missionar und von den Briten im Kampf gegen die Zulu ausgestellt, als von den Zulu selbst. Den uns zugeteilten Zulu den, der uns durch die Ausstellung führte, hatten wir wohl in der Mittagspause gestört. Er gähnte immer wieder und war ziemlich wortkarg, wenn es um die Geschichte seines eigenen Volkes ging.

Die Frau im Zulu-Kunstmuseum hingegen war alles andere als wortkarg – es sprudelte nur so aus ihr heraus:

Der Schwede Löfroth begann nach einer grossen Dürre Ende der 1960er Jahre die Handwerksachen der Zulu an Weisse zu verkaufen. Schon 1972 wurde er gebeten, diesen Verkauf im ganzen Zululand zu organisieren, um einerseits den traditionell lebenden Zulu etwas Verdienst zu ermöglichen und andererseits, die Tradition des Töpferns und Grasflechtens zu erhalten, denn damals wurde auch schon im hintersten Umuzi auf Plastik und Blech umgestellt. Im Museum werden unverkäufliche Kunstwerke ausgestellt, welche das Leben der traditionell lebenden Zulu gut dokumentieren.

Tatsächlich gab es bei den Zulu nur Behälter aus Ton oder geflochtenem Gras. Mit mehr als 150 Grassorten wurden Tassen, Teller, Deckel, Siebe, Schlafmatten, Sitzmatten und Weiteres geflochten. Die Tassen wurden vor dem Gebrauch in Wasser eingelegt damit sie durch die Quellung wasserfest wurden. Allerdings verbrauchte sich dieses Grasgeschirr sehr schnell und ausser die Hochzeitsgefässe wurde alles einfarbig geflochten. Erst als die Weissen die mit Farben und Mustern versehenen Flechtarbeiten verlangten, wurde umgestellt.

Aus Gras geflochten
Aus Gras geflochten
Aus Ton geformt
Aus Ton geformt

Sugar Hill Manor thront über einer Zuckerplantage und Graham empfing uns herzlich. Er teilte uns jedoch sogleich mit, dass er uns für die nächste Nacht einem Freund weitergeben musste, weil er eine Gruppe erwartete. Er begutachtete unser Auto und meinte, dass er wohl besser einen Freund mit einem
4-Rad- Pickup mitnehme, falls wir irgendwo steckenblieben. Überhaupt war die Frage, ob wir überhaupt ins Hinterland fahren können, wenn es auch am 23. Februar derart schütten sollte.

Graham empfahl uns, im einzigen Hotel des Ortes zu essen, weil er zu beschäftigt war, um selbst zu kochen. Während wir im relativ grossen Saal geduldig auf das Bestellte warteten, traten immer mehr Frauen in roten Kleidungsstücken ein. Gut 50 Frauen begannen fröhlich zu plaudern und nahmen immer näher von uns Platz. Toni sprach eine Frau an seiner Seite an, die nur darauf gewartet hatte, uns aufzuklären, um was es hier ging.

„Es ist wichtig, dass wir Frauen uns zusammentun und über die Traditionen der Anderen, Bescheid wissen. Unser Verein hat zum Ziel, uns alle besser kennen zu lernen. Einmal im Monat kommen wir zusammen und sprechen miteinander. Alle sind willkommen: Weisse, Inderinnen, Farbige wie ich, Schwarze, Zulu“.

Die Kindergärtnerin erklärte weiter, dass sie früher Zulu-Kinder für unanständig hielt, weil diese Kinder nie grüssten. Erst später erfuhr sie, dass Zulu-Kinder niemals einen Erwachsenen ansprechen, auch nicht mit einem Gruss, sondern warten, bis sich der Erwachsene an sie richtet. Die Zulu-Kinder hielten deshalb ihre Kindergärtnerin für unanständig, weil sie nie grüsste…..

Während es noch weiter aus ihr „heraus sprudelte“ fing die Versammlung damit an, dass die Frauen aufstanden und ein Gebet sprachen. Danach kam die Aufforderung, aufeinander zuzugehen und einander zu umarmen. Mutige kamen mit offenen Armen und offenem Herzen auf uns zu und drückten uns an ihre prallen Brüste. Danach gab es neue Plätze für alle und sehr positive Reden, sowie auch Gesang.

Es war auch für uns ein aufbauendes Erlebnis, welches wir brauchen konnten, weil wir danach im ziemlich feuchten Zimmer in das etwas feucht wirkende Bett schlüpften und noch nicht wussten, wie der folgende Tag aussah.

Am 23. Februar gab es noch allerlei Unklarheiten, aber schlussendlich machten wir uns gegen 10 Uhr auf den Weg ins Hinterland, wo wir immer wieder eine fantastische Sicht über die Landschaft hatten. Der Zulu, der uns den Weg zeigte, fuhr mit uns im Auto mit und beantwortete all meine Fragen ausführlich. Graham fuhr mit einem anderen Gast und hinter uns seine Freunde im Pickup
– für alle Fälle.

Abenteuerliche Strassen im Hinterland von Eshowe
Abenteuerliche Strassen im Hinterland von Eshowe

Kühe, Geissen und auch Hühner gibt es über Land immer wieder auf den Strassen. Nur der Autobahn entlang werden die Kühe gehütet. Die Strasse stieg auf 800 Meter an und wir hatten einen tollen Ausblick auf viele verstreute Rundhütten von noch traditionell lebenden Zulu.

Am Fest angekommen stellte sich heraus, dass wir mit Graham die einzigen weissen Gäste, aber sehr willkommen waren. Viele Männer, die sich für den Kriegstanz bereit machten, wollten uns die Hände schütteln. Ich glaube, dass dieses Fest mit einem Alp-Abzug im Freiburgischen verglichen werden kann. Es ist eine Tradition, das Familienoberhaupt achtet auf den korrekten Ablauf der Rituale, einige Zulu sind traditionell gekleidet, andere kommen her, um Leute zu treffen und wieder einmal die Rituale der Kindheit zu erleben.

Zum Fest gehört Zulu-Bier, das auf einer Maisbasis gebraut wird
Zum Fest gehört Zulu-Bier, das auf einer Maisbasis gebraut wird

Das Fest war voller Gesang und Tanz. Wir waren total fasziniert und ganz damit beschäftigt, Fotos von den Zulu zu machen. Aber plötzlich realisierten wir, dass viele Zulu uns fotografierten. Das war sehr lustig.

Nachkommen von Khekhekhe beim Erntefest am 23. Februar 2017
Nachkommen von Khekhekhe beim Erntefest am 23. Februar 2017

Blandine Raemy-Zbinden
Ende Februar 2017

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