Baranow Sandomierski – Sandomierz

Das Schloss Baranòw Sandomierski wurde zwischen 1580 bis 1620 als Adelsresidenz im damaligen Galizien im Renaissancestil gebaut. Es steht als Zeichen der politischen und militärischen Führungsmacht Polens ab 1569. Bis ins Jahr 1795 galt Polen als Adelsrepublik, die dem Adel besonders viele Privilegien gewährte. Im Zweiten Weltkrieg diente das Schloss als Quartier für die Deutschen, die im kalten Winter das wertvolle Mobiliar Stück für Stück verheizten. Die russischen Besatzer zerstörten später das Innere des Schlosses gänzlich. Erst in den 1950er Jahren wurde es durch Private wieder restauriert, modernisiert und für Hochzeitsgesellschaften eröffnet.

Das Fürstentum Galizien existiert nur noch in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, war jedoch einst eine prosperierende Gegend an der Handelsroute des Oströmischen Reiches zwischen Krakau und Kiew. Einmalig für europäische Verhältnisse war die Religionsgeschichte Galiziens, weil hier Griechisch Orthodoxe, Römisch Katholische sowie viele Juden als auch weitere Glaubensrichtungen eng und friedlich zusammen lebten. Blandine’s Reiseblog Lass dich in die Ferne führen.

Wenig nördlich von Baranòw Sandomierski liegt Sandomierz. Diese Stadt ist Zeuge vom Reichtum der Menschen an den alten Handelswegen sowie von der Dominanz der Römisch Katholischen Kirche an der Glaubensgrenze im Osten. Der ganze Komplex des Dominikanerklosters mit der Jakobskirche wurde ab 1226 im spätromanischen Stil erbaut. Der typische Raumplan des Klostergebäudes sowie die kunstvolle Verzierung mit bunten, glasierten Ziegeln, gelten als die Merkmale dieser Zeit.

Aus dem 14. Jahrhundert sind noch das Opatower Tor sowie neben den Überresten der Schutzmauer aus dem Mittelalter, das sogenannte „Nadelöhr“ zu bewundern. Eine Betrachtung wert sind auch das Rathaus im Renaissance-Stil sowie das Schloss. Auch der Dom stammt aus dem 14. Jahrhundert, die Innenausstattung jedoch aus dem 15.- 17. Jahrhundert. Gemäss der religiösen Vielfalt dieser Region finden sich im Dom sowohl byzantinisch-russische Fresken als auch Rokokoaltäre und römische Skulpturen. Zum Domkomplex gehören auch der Bischofspalast, das Haus des Weihbischofs, das Haus des Vikars, das Haus der pensionierten Priester sowie der Glockenturm.

Im 15. – 17. Jahrhundert wurden die Josephskirche, die barocke Michaeliskirche im Komplex des ehemaligen BenediktinerNonnenklosters, die ehemalige Synagoge, einige Kaufmannshäuser sowie das Haus von Dugosz erbaut.

Das Collegium Gostomianum, der Speicher als auch die barocke Paulskriche sind im 17. Jahrhundert fertig gestellt worden. Sehr speziell ist auch der 500 Meter lange unterirdische Touristenweg, der die Lagerkeller der Kaufmänner aus dem 15. – 17. Jahrhundert verbindet. Wirklich beeindruckend die Grösse und Pracht all dieser Klöster und Kirchen an der Glaubensgrenze. Die meisten Kirchen können jedoch nicht einfach so besucht werden, weil sie einerseits verschlossen sind, andererseits heute noch rege zum Gebet genutzt werden. Im Jahre 2009 haben wir in diesen Kirchen oft Menschen angetroffen, die vertieft im Gebet auf dem Boden knieten und einen touristischen Besuch der Kirche nicht möglich machten. Die Kirchen im Süden Polens haben noch heute eine Aura der Andacht, des Gebetes, der Meditation, die von uns Touristen einen grossen Respekt vor diesen Gebäuden und Gläubigen verlangt.

In Koprzywnica besuchen wir einen Friedhof, der als Ort des Friedens für die Seelen der verstorbenen Familienmitglieder zu verstehen ist. Die Blumen eines Familienfestes oder der Hochzeit werden zum Familiengrab getragen. Allerheiligen werden viele Kerzen angezündet, damit die Ahnen spüren, wie präsent sie noch in der Familie verankert sind.

Auf der Fahrt nach Sanok halten wir in Brzozòw an um eine weitere wunderschöne Kirche zu besuchen. Eine Schulklasse Jugendlicher betet andächtig den Rosenkranz. Ein betender älterer Mann erkennt uns als Touristen, führt uns durch die verschiedenen Seitenaltäre, bleibt bei diesem Marienbild stehen, erklärt:

Im Jahre 1680 brannte diese Kirche total nieder, nur dieses Bild überlebte das Feuer. Ein Wunder. Danach kamen die Deutschen, Soldaten, die Russen, kriegerische Auseinandersetzungen. Die Kirche brannte wieder, diese Ikone jedoch überstand jeden Kampf, jedes Feuer. Die Ikone ist unverletzlich, deshalb wird sie angebetet, damit diese Unverletzlichkeit auch auf den Betenden übergehen möge.

Dass die Oströmischen Katholiken sich von den Weströmischen Katholiken abtrennten, dass aus den Oströmischen Katholiken später Orthodoxe wurden, hatte mit der Anbetung der Ikonen zu tun. Hier verstehen wir, was das Verbot für diese Menschen bedeutete.

Der Süden von Polen bietet viel Geschichtliches sowie unberührte Natur. Obwohl wir durch den Nationalpark Roztocze durchfahrend keine typischen polnischen Kleinpferde herumspringen sehen, erfreuen wir uns an der urtümlichen Landschaft. Auch an den vielen Gänsen und Störchen, die wir hier sehen. Es ist ziemlich abenteuerlich, die Route zu finden, weil man sich an Ortschaftsnamen wie: SZCZEBRZESZYN erst gewöhnen muss.

Das Faszinierende hier ist jedoch der gelebte Glaube. Hier wird nicht von Tourismusführern über eine Religiosität aus vergangenen Jahrhunderten berichtet, hier kann der Glaube lebendig erfahren werden.

Unsere Reiseroute aus dem Jahr 2009

Blandine, im Herbst 2009

Quellen:
Kurs über Galizien an der Volkshochschule in Zürich
Unterlagen der besuchten Städte
Eigenes Erleben sowie eigene Beobachtungen

Weitere Informationen über Galizien findest Du im Archiv unter Polen – Geschichtlicher Hintergrund.

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