Der europäische Sozialismus endete 1989 in Polen, das mit Tadeusz Mazowiecki den ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten im damals noch existierenden Ostblock wählte. 1000 % Inflation und 40 Mrd. Dollar Auslandschulden waren die 1989 gezogene Bilanz von 40 Jahren kommunistischer Wirtschaft. Auch andere Grundübel der sozialistischen Planwirtschaft fehlten nicht: Devisen- und Warenknappheit, ewiges Schlangenstehen vor leeren Geschäften und die Rationierung von Lebensmitteln.
Der Wirtschaftswissenschaftler und damalige Finanzminister kam zum Schluss, dass jegliche Suche nach einem dritten Weg zwischen Plan- und Marktwirtschaft reine Zeitverschwendung sei. Heute steht sein Name für das ehrgeizigste und gewagteste ökonomische Experiment im vom Kommunismus befreiten Ostmitteleuropa. Was in Ostdeutschland mit astronomischen D-MarkBeträgen aus der alten Bundesrepublik halbwegs abgefedert wurde, das verabreichte Polens neuer Finanzminister der Nation praktisch ohne jede Narkose: Nach nur drei Monaten Vorbereitung stürzte das Land am 1. Januar 1990 ins eiskalte Wasser der Marktwirtschaft.
Balcerowicz kappte mit einem Schlag sämtliche Steuererleichterungen und Zuschüsse, überliess fast alle Preise dem freien Markt, dämpfte Lohnerhöhungen mit Hilfe einer geradezu mörderischen Lohnzuwachssteuer. Er führte den positiven Realzins ein, machte den Zloty zu einer im Inland frei konvertierbaren Währung und öffnete die Grenzen für Importe, damit die ausländische Konkurrenz die heimische Industrie zur Rationalisierung und Modernisierung zwinge. Die Hyperinflation wurde gebändigt, die Läden füllten sich mit Waren.
Die riesigen Erfolge wurden vom unvermeidbaren Produktionsrückgang und dem Anwachsen der Arbeitslosigkeit überschattet, was die Feinde der radikalen Transformationspolitik auf den Plan rief, die den Menschen das Blaue vom Himmel verkündeten und 1993 an die Macht kamen. Trotz der vielen zornigen Worte taten die Linken letztendlich nichts anderes, als den Kurs der monetaristischen Wirtschaftsreform beizubehalten. Die Erfolge zeigten sich sehr bald: Die Arbeitslosigkeit sank bis 1997 von 16 auf 9 %, die Inflation auf 9 % (1998), der Zuwachs des Bruttosozialproduktes lag in den Jahren 1994 – 1997 bei stolzen 6 % jährlich – ein europäischer Rekord.
1997 wurde in Polen die neue Verfassung verabschiedet, welche die Phase der häufigen Regierungswechsel beendete sowie die Grundlage für eine politische Stabilität schaffte. 1999 errang Polen die ersehnte Mitgliedschaft in der NATO und wurde im Mai 2004 Mitglied der EU. Polen wollte nicht mehr als Puffer zwischen den Machtstrukturen dienen sondern im Westen verankert, gleichzeitig offen und kooperativ dem Osten gegenüber sein.
Ausschnitte aus : Michael Müller Verlag, Warschau
Heute ist Warschau eine boomende Handelsstadt, die nicht nur dank der Unterstützung aus dem Westen floriert. Warschau hat sich besonders die letzten Jahre zu einer Wirtschaftsmetropole gemausert. Jedes Mal wenn wir nach Warschau reisen, sehen wir ein weiteres Hochhaus, einen weiteren Bürokomplex oder einen weiteren Einkaufspalast.
Trotzdem sind noch heute 30 % der Stadtfläche grün.
In allen Quartieren laden Parks zum Flanieren ein. Für Kinder gibt es überall genügend Auslauf und Spielplätze. Auch das Dach der Universitätsbibliothek ist begrünt.
Die Quartierhäuser in Mokotow sind von Bäumen umgeben.
Es lebt sich gut in Warschau.
Die wirtschaftlichen und politischen Verbindungen zwischen Polen und der Schweiz sind eng. Folgende Informationen habe ich vom EDA:
Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern entwickeln sich erfreulich. Insbesondere die Exporte sind seit 2004 stark angestiegen. Die Schweiz weist traditionell einen beträchtlichen Handelsbilanzüberschuss mit Polen aus. Die Schweizer Direktinvestitionen in Polen beliefen sich Ende 2012 auf 5.9 Mrd. CHF. Damit ist Polen der grösste Empfänger von Schweizer Kapital in Zentraleuropa. Die Schweiz liegt auf Platz 13 der ausländischen Investoren in Polen. Seit 2003 besteht bei der Schweizer Botschaft in Warschau ein «Swiss Business Hub». Polen gehört im Internationalen Währungsfonds (IWF) und bei der Weltbank zur gleichen Ländergruppe wie die Schweiz.
Der Schweizer Erweiterungsbeitrag
Während der Übergangsphase der 1990er-Jahre floss der Hauptanteil der schweizerischen Ost Hilfe nach Polen. Die entsprechenden Beiträge beliefen sich auf insgesamt 264 Mio CHF. Als Mitglied der Europäischen Union (EU) gehört Polen zu den Empfängern des Schweizer Beitrags zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU. Am 14.6.2012 wurden 489 Mio CHF für 58 Projekte bewilligt.
Schweizerinnen und Schweizer in Polen
Ende 2012 lebten 672 Schweizerinnen und Schweizer in Polen.
Auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland ist laut dem Auswärtigen Amt in Deutschland sehr gut:
„Polen konnte auch während der Schuldenkrise im Euroraum ein Abgleiten in die Rezession vermeiden und hatte durchgängig ein positives Wachstum aufzuweisen, das im Jahr 2012 bei 1,9 Prozent des BIP lag, im Jahr 2013 auf 1,6 Prozent zurückging und in diesem Jahr wieder auf 2,5 Prozent steigen dürfte. Dazu tragen eine wirtschafts-freundliche Politik, die angepasste Nutzung von EUFördermitteln für einen konsequenten Ausbau der Infrastruktur, eine hohe Arbeitsmotivation, flexibles Arbeitsrecht, fiskalpolitische Stabilität und das Bemühen um stärkere Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bei.
Zum Ende des vierten Quartals 2013 waren 15,7 Mio Personen erwerbstätig. Die Erwerbsquote lag bei 56,1 Prozent, die Beschäftigungsquote bei 50,6 Prozent. Im Januar 2014 betrug die Arbeitslosigkeit 14 Prozent, die Zahl der registrierten Arbeitslosen 2,260 Mio.
2012 konnten die Löhne mit der Inflation nicht Schritt halten: Der Reallohn ist gegenüber 2011 um 0,1 Prozent zurückgegangen (erster Reallohnrückgang seit 20 Jahren). Seit 2008 – in dem Jahr verzeichnete Polen noch eine Reallohnsteigerung um neun Prozent – betrug der Anstieg nur noch 1,6 Prozent im Jahresschnitt. Die Löhne unterscheiden sich allerdings stark nach Regionen und Berufsgruppen. Der landesweite Durchschnittslohn aller Branchen betrug in der ersten Hälfte 2013 3.675 Złoty/Monat (889 Euro). Der gesetzliche Mindestlohn betrug 2013 1.600 Złoty (ca. 387 Euro).
Polen bemüht sich um eine solide Haushaltspolitik und konnte das öffentliche Defizit von 7,9 Prozent des BIP im Jahr 2010 auf 3,9 Prozent im Jahr 2012 senken. Das im Juli 2009 von der EU gegen Polen eröffnete Verfahren wurde wegen des anhaltenden übermäßigen Haushaltsdefizits um zwei Jahre verlängert. Durch die Rentenreform ergibt sich 2014 eine Entspannung bei den Bemühungen um Haushaltskonsolidierung, jedoch wird dieser Effekt ab 2015 wahrscheinlich kaum noch wirksam sein. Dennoch liegt die Gesamtverschuldung – nicht zuletzt wegen der seit 1997 in der Verfassung verankerten Schuldenbremse – weiterhin unter dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent des BIP.
Trotz der wachsenden internationalen Konkurrenz gilt Polen bei deutschen Unternehmen als einer der attraktivsten Standorte in Mittel- und Osteuropa. Zu seinen Stärken werden die EU-Mitgliedschaft Polens gezählt, der Zugang zu umfassenden Fördermitteln (2013: 15 Mrd. Euro netto; seit dem EU-Beitritt 2004 mehr als 54,8 Mrd. Euro), der große, dynamische Binnenmarkt mit 38,5 Mio Einwohnern, die geographische Nähe zu Deutschland und anderen wichtigen Exportmärkten, die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Hochschulabsolventen und qualifizierter, flexibler Fachkräfte sowie die Anwesenheit lokaler Zulieferer und Partner.“
Hervorzuheben sind die gute Ausbildung sowie die hohe Arbeitsmotivation. Diese spürt man in Warschau fast körperlich. Warschau ist wohl auch eine Stadt, die mit ihrer Motivation die vielen Arbeitswilligen aus dem ganzen Land mitzureissen vermag.
Blandine, im Frühling 2014
Quellen:
Michael Müller Verlag, Warschau
EDA
Auswärtiges Amt Deutschland
Eigenes Erleben und eigene Beobachtungen